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Ästhetik

Fragment von Hans-Jürgen-Krahl

nach der Handschrift (im Verlag Neue Kritik)

Editorische Vorbemerkung der Redaktion: Der Hintergrund der Entstehung dieser Notiz ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unbekannt. Sie befindet sich heute mit einer Reihe anderen ähnlichen Notizen und kurzen Texten zu verschiedenen Autoren in einer Mappe im Krahl-Nachlass, der im Verlag Neue Kritik in Frankfurt lagert.


Ästhetik

Materialistische Ästhetik als Geschichtsphilosophie der Kunst dort, wo dem Kunstwerk seine Temporalität, sein historischer Kunstcharakter aufgeht: A la recherche du temps perdu ["Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", Buchtitel von Marcel Proust]. Erinnerung, die nachträglich -- post festum -- gemachte Erfahrung, unlösbar mit Begreifen verbunden ist Medium der Kunst. Erinnerungen, das Gedächtnis haben bei Beckett die Menschen verloren. (Kafka: Tier mit Vergangenheit, Erinnerung/Verwandlung). Die als Nachahmung der Natur bestimmte Kunst bannt den Geist ins ihm Fremde, geht gleichzeitig herrschaftlich darüber hinaus. Auch die Entwicklung von Produktionsinstrumenten überlistet die Natur durch konsequente Nachahmung. Hegel bricht damit. Kunst als Stätte der Erinnerung befreit sich von der Herrschaft der Natur, Zeitkern der Kunst: Erinnerung? (Eumenide des abgeschiedenen Geistes)

Das Gras wachsen hören, die Entstehung der Blätter belauschen (Hoffmannsthal), dem Geheimnis der Genesis auf die Spur zu kommen, gehört zum metaphysischen Wesen der Kunst; sie fingierte es; reflektierte dieses im Ästhetizismus, der also eminent geschichtsphilosophisch ist.

Quelle: Mappe 15 b (Ästhetik), Verlag Neue Kritik, Frankfurt a.M., Seite 43
Transkription: Redaktion Krahl-Briefe